Montag, 11. September 2017

Warum scheitern Projekte und Veränderungsprozesse so häufig. Dass passiert bei kleinen Veränderungen in der persönlichen Umgebung ebenso wie in international arbeitenden Organisationen. Wie könnten sie besser gelingen?
Es liegt am Faktor Mensch, werden viele jetzt sagen. Ist das wirklich so? Mir gefällt diese Betrachtungsweise nicht. Hier wird der Mensch zum Faktor degradiert.
Veränderungen sollten für die Menschen da sein und nicht umgekehrt. Und damit dies funktioniert, sind ein paar Dinge zu bedenken, die gerne übersehen werden.
Eine interessante Herangehensweise fand ich bei Professor Hans Venhuizen. Er hat an der Akademie für bildende Künste in Den Haag den Lehrstuhl für Inte­rior Architecture inne. Dabei geht es keineswegs um Innenarchitektur, sondern darum, wie sich der Mensch zum Raum verhält.
Zitat:
"Bei Planungen rund um die Organisation und Gestaltung des Lebensraums hängt Alles mit Allem zusammen. Die Frage ob etwas‚ schön’ ist, spielt dabei meist nur eine untergeordnete Rolle. Raumplanung ist komplex. Nur wenige Menschen sind in der Lage Überblick zu behalten und können Bedeutung und Auswirkung von Eingriffen einschätzen. Für Spezialisten und Entscheidungsträger im Prozess ist es wichtig um Meinungen und Bedürfnisse der daran Beteiligten zu kennen. Nur dann können Pläne gemacht werden in denen sich die Beteiligten auch wiederfinden können. Um zu wissen was bei den unterschiedlichen Beteiligten spielt, muss man ihnen die Möglichkeit bieten, sich mit bevorstehenden räumlichen Veränderungen auseinanderzusetzen. Das versetzt sie in die Lage sich eine Meinung zu bilden, verschiedene Vorschläge zu entwickeln und über diese Vorschläge miteinander zu debattieren."
Mehr dazu findet sich hier:
http://hansvenhuizen.eu/?p=1551

Mittwoch, 8. Juni 2016

Lösungen finden

Unsere Medien sind auf Krisen, Katastrophen, Konflikte und Probleme fokussiert. Das bringt Auflage und Klicks im Internet und führt bei vielen Menschen zu einem Weltbild, wonach "es immer schlimmer wird". 

Doch stimmt das überhaupt? Als Klärer und Löser bin ich es gewohnt, allgemein verbreitete Sichtweisen zu hinterfragen. Und Sie werden es kaum glauben: Die Welt wird immer besser. 

Betrachten wir unsere heutigen Lebensbedingungen, so stellen wir fest, dass sich diese im Vergleich zu den Lebensbedingungen von vor 100, 200, 300 usw. Jahren stetig verbessert haben. Unsere Lebenserwartung ist gestiegen. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eine schweren Krankheit, eines Verbrechens, einer kriegerischen Auseinandersetzung oder einer Naturkatastrophe zu werden, ist immer weiter gesunken. Dies gilt nicht nur für unseren westlichen Kulturkreis, sondern statistisch (!!!) für die gesamte Weltbevölkerung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Weltbevölkerung vor 300 Jahren bei ca. 650 Millionen klag. Heute leben ca. 7,2 Milliarden Menschen auf der Welt. Somit ist die Anzahl der Katastrophen in Relation zur Weltbevölkerung erheblich gesunken. Dies lässt den Schluss zu, dass wir einer prinzipiell guten Welt leben, die zudem immer besser wird.
Damit will ich die heutigen Katastrophen, Kriege, Umweltzerstörung, Hunger und politische Unterdrückung nicht schönreden. Doch wir können diese Dinge in einem rechten Verhätnis zueinander sehen. Und ein positives Lebensgefühl aus einer im Grunde guten Welt beziehen. Nebenbei: Aus einem positiven Lebensgefühl heraus etwas für eine noch bessere Welt zu tun bringt mehr Frucht als aus Frustration und Angst heraus gegen die Missstände in der Welt zu kämpfen.
Negativität versteckt sich oft hinter der Maske des Guten. Da will jemand auf Missstände hinweisen und merkt gar nicht, dass eigentlich nur die in ihm wohnende Negativität ein Aktionsfeld sucht. In diese Falle sind schon viele politische Aktivisten gelaufen. 

Aktuell läuft in den Kinos TOMORROW - Die Welt ist voller Lösungen:
 
Was, wenn jeder von uns dazu beitragen könnte? Als die Schauspielerin Mélanie Laurent („Inglourious Basterds“, „Beginners“) und der französische Aktivist Cyril Dion in der Zeitschrift „Nature“ eine Studie lesen, die den wahrscheinlichen Zusammenbruch unserer Zivilisation in den nächsten 40 Jahren voraussagt, wollen sie sich mit diesem Horror-Szenario nicht abfinden. Schnell ist ihnen jedoch klar, dass die bestehenden Ansätze nicht ausreichen, um einen breiten Teil der Bevölkerung zu inspirieren und zum Handeln zu bewegen. Also machen sich die beiden auf den Weg. Sie sprechen mit Experten und besuchen weltweit Projekte und Initiativen, die alternative ökologische, wirtschaftliche und demokratische Ideen verfolgen. Was sie finden, sind Antworten auf die dringendsten Fragen unserer Zeit. Und die Gewissheit, dass es eine andere Geschichte für unsere Zukunft geben kann.

Tomorrow

Mit dem César als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet, avancierte der Film in den vergangenen Monaten in Frankreich zum Publikumsliebling und inspirierte bisher mehr als 1.000.000 Zuschauer. Für ihren mitreißenden Dokumentarfilm reisten Mélanie Laurent und Cyril Dion in zehn Länder. Wie bei einem Puzzle wurde bald klar, dass erst die Summe der Lösungsansätze das Bild einer anderen Zukunft zeichnet.
TOMORROW beweist, dass aus einem Traum die Realität von morgen werden kann, sobald Menschen aktiv werden.

Hier sind einige der der Experten und Aktivisten, die das Team während seiner Reise durch zehn Länder besucht hat:

Experten und Aktivisten







Mittwoch, 26. August 2015

Interview mit Heinz Hilten

Herr Hilten, sie nennen sich Klärer und Löser. Was bekommt man bei Ihnen?

Viele Menschen empfinden unsere heutige Welt als ziemlich komplex. Das betrifft Themen wie den Beruf, Familie und Freunde, gesellschaftliche und politische Themen . Ein Großteil unserer täglichen Arbeit in Organisationen, Unternehmen und Familien besteht darin, Situationen zu klären und Probleme zu lösen. Dabei kann es sich um einfache Dinge handeln und auch um sehr bedeutende.

Ist unsere Welt komplizierter geworden als früher?

Kommt darauf an, was man unter früher versteht. Wir haben heute mehr Handlungsmöglichkeiten, mehr Wahlfreiheiten als z.B. vor 40 bis 50 Jahren. Gleichzeitig schwinden die Gewissheiten. Das bringt uns einerseits mehr Freiheit, kann aber auch verunsichern. Dann fragen wir uns: „Was ist richtig? Wie mache ich das jetzt?“ Und, ganz wichtig: Wie haben viel mehr Informationen als früher. Wenn ich mich früher für ein Thema interessierte, musste ich z.B. in der Stadtbibliothek recherchieren. Heute gebe ich das Thema in eine Suchmaschine im Internet ein und stehe einer Vielzahl an Antworten über. Und die sind oft auch noch widersprüchlich. Wie gehe ich damit um? Da sind viele Menschen überfordert, es kommt schnell zu einer Reiz- und Informationsüberflutung.

Und dann kommen Sie und klären das?

Ganz wichtig: ich komme nicht und sage, wo es langgeht oder was genau in einer Situation nun zu tun ist. Ich helfe, zunächst mal die Übersicht zu gewinnen: Worum geht es überhaupt? Was ist das Thema oder das Problem? Wer ist beteiligt? Was ist wirklich wichtig und was vielleicht zweitrangig? Wie habe ich so etwas früher gelöst. Und ich frage immer wieder: Ist das wirklich so? Oder kann man es auch anders sehen. Durch diese Fragen kann man wieder den Wald UND die Bäume sehen.

Und das können die Leute nicht mehr selbst?

Viele können und tun dies natürlich. Doch ich erlebe häufig, das auch kluge und intelligente Menschen an manchen Punkten nicht weiterkommen. Sie sind zu sehr in ihr eigenes Thema verstrickt, als das sie auf nahe liegende Lösungen kämen.

Die Sie dann anbieten?

Damit bin ich sehr zurückhaltend. Was für mich eine Lösung wäre, muss es für die Person, Familie, Organisation oder das Unternehmen nicht sein. Ich schaue mir eine Situation an und stelle Fragen, spreche mit den Beteiligten, wenn es mehrere sind. So gewinne ich ein Bild. Mein großer Vorteil: Ich bin nicht in das Thema oder das Problem involviert. Das führt zu einem klareren Blick.

Für viele dieser Themen gibt es ja bereits Experten. Was unterscheidet Sie von diesen?

Wir fragen Experten um Gewissheit und Sicherheit zu erlangen. Aber gehen Sie mal mit einem etwas komplexeren gesundheitlichen Problem zu drei verschiedenen Ärzten, mit einem juristischen Problem zu drei Anwälten, mit einem betriebswirtschaftlichen Problem zu drei Unternehmensberatern.

Die Wahrscheinlichkeit, immer drei unterschiedliche Einschätzungen und Lösungsvorschläge zu bekommen, ist recht groß. Und Sie sehen immer noch nicht klarer.

Ich bin eher ein Experte für Klarheit und Unterscheidungsvermögen. Es kann sein, dass man in einer konkreten Situation dann noch einen weiteren Experten benötigt. Doch dann weiß man genau welchen und was konkret man von ihm wissen will. Und kann sich seine Antwort sehr genau anschauen.

Und wie machen Sie das?

Ich treffe Unterscheidungen. In jeder „herausfordernden“ Situation – ob Konflikt oder neue Idee - gibt es:
·        Fakten – das was zweifellos IST. Sind mehrere Personen beteiligt, fängt es da schon an unklar zu werden. Was ist wirklich Fakt und was nicht? Situationen werden oft unterschiedlich wahrgenommen. Nehmen Sie einen Verkehrsunfall mit drei Zeugen. Wahrscheinlich werden Sie drei zumindest leicht unterschiedliche Beschreibungen des Unfallhergangs bekommen. Vielleicht sogar ganz verschiedene. Und wenn alle drei Zeugen exakt das Gleiche aussagen, geht es wahrscheinlich um einen Versuch von Versicherungsbetrug.
Dann gibt es:
·        Interpretationen – den Fakten werden Bedeutungen gegeben. Wiederrum gilt: Je mehr Personen beteiligt sind, desto mehr Interpretationen wird es geben. Warum ist das so? Wir möchten gerne Gewissheit haben. Und wenn wir eine Situation nicht ganz erfassen können oder nicht verstehen, interpretieren wir sehr schnell Bedeutung hinein. Egal, ob sie stimmt oder nicht.
Dann gibt es:
·        Annahmen – hier handelt es sich um reine Vermutungen, die wir, wenn wir nicht sehr klar sind, gedanklich schnell zu Fakten machen.
Dann gibt es:
·        Gerüchte – Jemand hat einen Fakt interpretiert, ihm also Bedeutung gegeben und noch Annahmen hinzugefügt. Oder jemand hat einfach irgendetwas erfunden. Jemand anders hört dies und gibt es weiter – natürlich wieder in leicht veränderter Weise.
Dann gibt es:
·        Erwartungen – jemand interpretiert einen Fakt, gibt ihm Bedeutung und vermutet, was in Zukunft passieren wird. Dieser Punkt ist gerade bei neuen Ideen ein ganz wesentlicher.

Wenn wir uns nun eine herausfordernde Situation ansehen – das Wort Problem vermeide ich ganz bewusst – dann werden wir feststellen: Die wirklichen Fakten machen den geringsten Teil der Situation aus. Der größte Teil sind Interpretationen, Annahmen, Gerüchte und Erwartungen. Und wer von dieser Situation betroffen ist, kann das alles oft nicht mehr klar voneinander trennen. Das gilt für Einzelpersonen ebenso wie für Gruppen. Teams, Organisationen und Unternehmen.

Und genau hier beginnt meine Arbeit: Ich helfe dem/der oder den Betroffenen dabei, Fakten, Interpretationen, Annahmen, Gerüchte und Erwartungen wieder zu trennen. So wird klar, womit man sich wirklich beschäftigen muss, welcher Aspekt einer Herausforderung wirklich Aufmerksamkeit benötigt, wo Prioritäten zu setzen sind.

Dies kann ich, weil ich an der Situation unbeteiligt bin. Ich bin nicht in diese Situation verstrickt und zugleich verfüge ich über ein hohes Maß an Klarheit und Unterscheidungsvermögen. Diese Klarheit, dieses Unterscheidungsvermögen, diese analytische Fähigkeit gebe ich meinen Kunden oder Klienten weiter. Das bedeutet nicht, dass ich Lösungen für die herausfordernde Situation habe. Doch sind die besten Lösungen immer die, die die Betroffenen selbst finden. Ich habe die Erfahrung gemacht, das Entwicklungen und Veränderungen durchlebt und erfahren werden müssen und nicht einfach an Berater und Experten abgegeben werden können. Und vielleicht muss tatsächlich zusätzlich noch ein Experte gefragt werden. Aber dann wird klar sein, WAS GENAU man ihn fragen wird und WELCHE Expertise er haben muss. Und man wird in der Lage sein, sich seine Antworten sehr genau anzusehen.

Sind mehrere Personen an einer „Herausforderung“ beteiligt, ist es oft besonders schwer, Fakten, Interpretationen, Annahmen, Gerüchte und Erwartungen zu trennen. Hier kommt noch hinzu, dass unterschiedliche Einzelinteressen vorliegen, unterschiedliche Vorstellungen, wie denn eine Lösung aussehen könnte. Und es kommt hinzu, dass ausdrucksstarke Personen mit ihren Ideen stärker wahrgenommen werden, als die Leisen, die vielleicht sehr gute Ideen haben.

Um das nun noch mal zusammenzufassen:
Wir haben eine „Herausforderung“, an der mehrere Personen beteiligt sind. Wir haben Fakten, Interpretationen, Annahmen, Gerüchte und Erwartungen. Wir haben schon gesehen, dass die wirklichen „Fakten“ den geringsten Anteil haben.

Wir haben außerdem noch mehrere Personen mit unterschiedlichen Interessen, Meinungen, Vorstellungen, Wertesystemen und Beziehungen untereinander. Wir haben vielleicht unterschiedliche Sprachstile und Ausdrucksfähigkeiten. Und vielleicht auch noch eine hierarchische Struktur. Ich glaube, Sie ahnen, worauf ich hinauswill – wie soll ein einem solchen Gemenge eine wirklich gute und funktionierende Lösung gefunden werden? Ich vermute, Sie kennen solche Situationen.

Sie sind dann so etwas wir der neutrale Dritte?

Ich nenne das den allparteilichen Dritten. Hier ist eine nicht in die Prozesse eingebundene Person gefragt, die über Klarheit und Unterscheidungsvermögen verfügt und Erfahrungen mit Entscheidungsprozessen in Gruppen hat. Diese Person ist aber nicht „neutral“, sondern „allparteilich“. Das heißt, sie ist den Interessen aller beteiligten Personen oder Gruppen verbunden und hilft ihnen, Fakten, Interpretationen, Annahmen, Gerüchte und Erwartungen klar zu trennen. Sie beachtet die unterschiedlichen Wertesystem und sorgt dafür, dass auch die „Leisen“ mit ihren Vorstellungen zum Zuge kommen. Sie macht das, was man „Prozesssteuerung“ nennt, sie strukturiert die gemeinsame Lösungssuche, sorgt dafür, dass alle auf dem gleichen Informationsstand sind, Vereinbarungen und Kommunikationsregeln eingehalten werden und hat idealerweise auch noch ein Gespür für das, was gerade „dran“ ist.
Eine solche Person lenkt den Blick von dem, was die Beteiligten voneinander trennt auf das, was sie verbindet und sorgt für eine lösungsorientiertes, von gegenseitiger Wertschätzung geprägtes Arbeitsklima.

Und so lösen sie dann Konflikte!

Ja. Was machen Menschen häufig, wenn sie einen Konflikt oder eine herausfordernde Situation lösen wollen? Sie schauen in die Vergangenheit und wollen verstehen, was passiert ist. Sie suchen nach einem Schuldigen innerhalb oder außerhalb der eigenen Reihen. Um eine Lösung zu finden, werden Argumente ausgetauscht. In solchen Gesprächsrunden geht es oft mehr darum, das eigene Argument geschickt zu untermauern als auf das zu hören, was andere sagen und meinen. Wer rhetorisch geschickt ist oder in der Hierarchie eine gute Position hat, wird sich durchsetzen. Vielleicht entstehen auch Kompromisse. Doch eins ist sicher – GUTE LÖSUNGEN entstehen so selten. Wir können Konflikte in Organisationen nicht nach dem Modell von Fernseh-Talkshows behandeln.

Diese Vorgehensweise ist – wenn überhaupt - nur bis zu einem bestimmten Punkt sinnvoll. Wenn wir nur analysieren, argumentieren und Kompromisse schließen, behandeln wir ein Problem mit den Methoden, durch die es entstanden ist.

Wichtiger wäre die Frage: „Was will mir/uns diese Situation im Hinblick auf die Zukunft sagen? Was möchte jetzt entstehen? Worauf sollten wir unsere Aufmerksamkeit jetzt lenken?“ Wenn wir so fragen, bewegen wir uns aus dem Raum der Vergangenheit in den Raum der Zukunft. Das schafft Unsicherheit, denn in der Vergangenheit kennen wir uns aus. Die Zukunft ist ein Raum noch nicht realisierter Möglichkeiten.

Wenn wir diese Unsicherheit aushalten können, spüren wir vielleicht, dass der Konflikt oder die Herausforderung, mit der wir uns beschäftigen, ein nützlicher und wichtiger Wegweiser in die Zukunft ist. Und dann brauchen wir plötzlich keinen Schuldigen mehr. Und statt Kompromisse entstehen Win-Win-Lösungen. Das sind Lösungen, von denen alle profitieren. So etwas funktioniert tatsächlich.

 Aber Sie lösen also nicht nur Probleme?

Nein, ich helfe Menschen auch, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Was machen Menschen, wenn sie ein gute Idee in die Tat umsetzen, ein Projekt starten wollen? In dieser Situation begeben sich Menschen automatisch in einen Zukunftsraum. Man spürt dies an einer gelösteren Atmosphäre oder sogar an einer Aufbruchsstimmung.

Dennoch: Gute Projektiden werden häufig mit den Kommunikationswerkzeugen der Vergangenheit angegangen. Es wird analysiert, reflektiert und argumentiert. Fertige Lösungen kommen auf den Tisch und werden geschickt untermauert. So werden kreative Prozesse abgewürgt. Am Schluss hat sich der begabteste Argumentierer durchgesetzt und tatsächlich sind alle froh, einen Weg gefunden zu haben. Vielleicht sind sie auch froh darüber, dass sie gar nicht so viel beitragen mussten, schließlich hat ja jemand eine gute Vorgehensweise geliefert. Leider ist es so, das gute Argumentierer ihre Argumente meistens aus den Datenbanken der Vergangenheit herauskramen. Da fühlen sie sich sicher, können rhetorisch brillieren und alle Fragen klar beantworten. Visionäre sind oft leiser und können naturgemäß ihre Ideen nicht so brillant verteidigen. Sie bewegen sich in einem Raum von Möglichkeiten und der ist immer vage.

Wenn ein Projekt auf diese herkömmliche Weise entwickelt wurde, passiert etwas interessantes: Projekte, die so entstanden sind, verlaufen meistens im Sande, ihnen fehlt bereits nach kurzer Zeit die Antriebsenergie. Warum ist das so? Menschen setzen ihre Kraft nur für Projekte ein, an deren Entwicklung sie innerlich beteiligt waren. Ansonsten machen sie Dienst nach Vorschrift oder ziehen sich heraus, wenn sie können.

Welche Rolle spielt die übliche Besprechungskultur dabei?

Was brauchen wir, um wirklich gute Ideen und Lösungen zu entwickeln und auch umzusetzen?
Bahnbrechende Innovationen sind noch nie allein durch analysieren, reflektieren und argumentieren entstanden. Sie können nur entstehen, wenn wir bereit sind, uns in den unsicheren Raum von Möglichkeiten zu begeben und uns fragen, was die Zukunft von uns möchte. Um dies herauszufinden, brauchen wir eine andere Kommunikationskultur als die, die jetzt noch in vielen Organisationen üblich ist.

Was meine ich damit? In vielen Organisationen wimmelt es von Meetings und auch Projektarbeit hat fast überall Einzug gehalten. Doch schauen wir uns mal an, wie Meetings ablaufen.

Fangen wir mit Meetings der 4. Kategorie an. Das ist die unterste Kategorie: Man sagt, was man glaubt, was gesagt werden muss oder was von einem erwartet wird. Man ist freundlich, liefert aber nur hohle Phrasen – auch Business-Blabla genannt. Man achtet darauf, sich keine Blöße zu geben oder etwas zu sagen, was man nicht konkret untermauern kann. Bisher wahrgenommenes und alte Urteile werden bestätigt. Dieses Meeting verläuft in althergebrachten Mustern und ist in dieser Form eigentlich überflüssig. So etwas nennt man ein autistisches Kommunikationssystem.

In Meetings der 3. Kategorie kommt es zu Debatten. Man spricht Klartext und sagt, was man denkt. Allerdings ist man in erster Linie damit beschäftigt, seine Argumente zu untermauern. Wenn jemand anderes redet, hört man nicht wirklich zu sondern ist gedanklich schon bei einer Erwiderung. Es geht mehr um das Gewinnen als um das wirkliche Finden einer Lösung.

Erst in Meetings der 2. Kategorie entsteht ein wirklicher Dialog. Die eigene Ansicht wird reflektiert und es wird nachgefragt, was der andere wirklich denkt und sagen möchte. Man betrachtet sich selbst als einen Teil der Ganzen.

In Meetings der 1. Kategorie entsteht ein Feld von Kreativität. Hier begibt man sich in einen Raum von Möglichkeiten und kann die Frage stellen, was die Zukunft von einem erwartet. Hier geht es nicht mehr darum, die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Man ist bereit, eigene Ideen in etwas Gemeinsames einzubringen und jede Vorstellung davon, wie das Ergebnis aussehen soll, fallen zu lassen. Nur hier kann aus dem Potenzial der Unterschiede die Kraft der Gemeinsamkeit entstehen. Projekte, die hier entstehen, werden gemeinsam getragen und haben Kraft. Ich nenne sie hier Projekte und Lösungen der 1. Kategorie.

Um solche Projekte und Lösungen zu realisieren, müssen wir Kopf, Herz und Hand integrieren – wir brauchen:
·        Einen offenen und klaren Verstand (Kopf)
·        Ein offenes Herz
·        Einen offenen Willen (Hand)

Für einen offenen Verstand müssen wir unsere Urteile abstellen. Sie basieren auf den Erfahrungen der Vergangenheit und haben in einem Raum von Möglichkeiten nichts zu suchen. Innovationen entstehen immer aus einer vagen Idee oder einem vagen Gefühl heraus. Sie sind zunächst nicht rational begründbar oder argumentativ zu belegen.

Ein offenes Herz ermöglich uns, uns als Teil des Ganzen zu fühlen, in Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber den anderen Beteiligten zu handeln. Nur dann werden diese sich voll einbringen.

Ein offener Wille ermöglicht uns, eine Idee auch in die Tat umzusetzen, sie auszuprobieren, ihre Zukunftstauglichkeit praktisch zu prüfen.
So erkunden wir die Zukunft durch tun statt durch analysieren, nachdenken und reflektieren.

Nun fragen Sie sich vermutlich, wie sich ein solcher Weg zur Könnerschaft gehen lässt. Nun, dies funktioniert in kleinen Schritten. Wenn in Ihrer Organisation Meetings der 4. oder 3. Kategorie üblich sind, können Sie nicht gleich zur 1. Kategorie springen. Das würde nicht funktionieren. Doch Sie können schrittweise kleine Veränderungen einführen.

Was Sie machen, lässt auch an einen Mediator oder Konfliktmanager denken.

Ja, aber ich nenne das nicht so. Was ich mache, ist sicher eine Mischung aus Projektmanagement, Coaching, Mediation. Und zugleich bin ich immer auch Ermutiger. Und ich glaube, es ist ermutigender und aufbauender, wenn man Menschen in einer herausfordernden Situation sagt: Wir schauen jetzt mal, wie wir das klären können“ statt „Wir führen eine Mediation durch“. Das ist einfach näher an den Menschen dran. Die meisten Menschen möchte nicht so gerne mit irgendwelchen „Tools“ behandelt werden.

Was motiviert Sie für diese Arbeit?

Ich finde es spannend, immer wieder neuen Situationen zu begegnen und herauszufinden, was Menschen bewegt. Ich begegne Menschen auf einer tieferen Ebene als im Alltags-Smalltalk.

Und ich finde es spannend zu sehen, wie schnell sich oft Lösungen finden, wenn Menschen ihre Perspektive wechseln.

Mittwoch, 12. November 2014

Klare Entscheidungen treffen

Wir stehen in unserem Leben immer wieder vor Entscheidungen: Wahl einer Berufsausbildung oder eines Studienfaches, Eingehen einer Partnerschaft, wo und wie und mit wem will ich leben, was mache ich in meiner Freizeit oder ob ich mich für etwas engagieren will.
Wir haben heute viel mehr Entscheidungsoptionen als früher, gleichzeitig ist die Welt komplexer geworden. Das kann uns gleichermaßen faszinieren wie irritieren. Jede grundlegende Lebensentscheidung hat Folgen auch für andere Lebensbereiche. Wie können wir wissen, was richtig ist? Wie können wir Fehlentscheidungen vermeiden? Wie finden wir Vertrauen, Gelassenheit und Sicherheit im Entscheiden?
Im Markt der 1000 Möglichkeiten wollen manche Menschen alles haben und das sofort. Werbung und Medien suggerieren uns, dass dies möglich sei, doch tatsächlich geht das nicht. Manche Menschen scheitern daran. Sie können keine Entscheidungen treffen und verweigern sich so dem Leben. Dies führt zu allerlei oft unnötigen Brüchen.
Uns allen ist eine Sehnsucht ins Herz gelegt. Es ist eine spirituelle Sehnsucht, die über das Irdische hinausgeht. Wir wollen den Himmel, das Paradies. Dort werden wir alles, was wir reinen Herzens ersehnen, bekommen. Doch hier auf der Erde müssen wir uns mit einigem davon bescheiden. Das fällt uns schwer, es widerstrebt der Anlage unseres Herzens. Können wir trotzdem Freude und Erfüllung finden?
Wer sich entscheidet und ja zu einem sagt, sagt nein zu anderem. Das übersehen viele. Wird das Nein nicht ebenso bewusst vollzogen wie das Ja, bleibt eine Unzufriedenheit zurück. Um diese zu vermeiden, vermeiden viele Menschen Entscheidungen. Sie wollen sich alle Optionen offen halten. Dabei warten sie oft, bis es zu spät ist.
In unserer rationalen Welt sind viele Menschen Kopfmenschen. Sie wollen alles mit dem Verstand regeln, Gefühle werden beiseite gedrängt. Sie machen viel mit dem Willen. Doch Vorsicht: Was verdrängt ist, ist nicht weg. Manche Menschen werden von starken Emotionen gedrängt, was sie aber weder vor  sich selbst noch vor anderen zugeben können. Das kann dazu führen, dass sich hinter klug scheinenden Rationalisierungen ein getriebener Mensch verbirgt. Oft beharrt dieser stur auf seinen Plan und lässt sich weder durch Tatsachen und erst recht nicht durch den Rat anderer beirren.
Es gibt auch die Gefühlsmenschen: Sie erleben starke Emotionen, die ihre Verhaltensweisen bewusst oder unbewusst bestimmen. Oft wecken äußere Ereignisse starke Gefühle in ihnen, was zu spontanen Reaktionen führt. Gefühlsmenschen wirken oft offen und warmherzig, sind allerdings manchmal von starken Stimmungsschwankungen abhängig.
Gefühle können uns bei Entscheidungen in die richtige Richtung weisen. Doch sie können uns auch täuschen, z.B. wenn unser Gefühlshaushalt durch seelische Belastungen, irreale Ängste oder weltfremde Phantasien durcheineander geraten ist. Dann nehmen wir die Wirklichkeit u.U. sehr verzerrt wahr.
Gibt es eine Möglichkeit, unsere analytischen und rationalen Fähigkeiten, unsere Vernunft mit den Gefühlen und Affekten zu verbinden?
Vorlieben und Abneigungen
Manche Dinge mögen wir, andere lehnen wir ab. Die eine Aufgabe reizt uns, die andere stößt uns ab. Manche Menschen finden wir sympathisch, andere nicht. Zuneigungen, Vorlieben, Abwehrreaktionen und Ängste sind durch Gefühle bestimmt. Auch Gedanken spielen eine Rolle und oft werden beide Ebenen vermischt. Wir können lernen, diese Regungen in uns wahrzunehmen, zu prüfen und uns in unseren Entscheidungen nicht von ihnen bestimmen zu lassen, denn oft bringen sie Unordnung in unser Leben. Das ist natürlich leichter gesagt als getan.
Warum ist dies so wichtig? Wir brauchen ein gewisses Maß an innerer Freiheit, um klare Entscheidungen treffen zu können. Sonst tappen wir in die Falle unserer unbewussten Regungen und entscheiden auf Basis spontaner Gefühle und Gedanken statt nach inhaltlichen Kriterien und Werten.
Sie  haben sicher schon bemerkt, dass ein Teil dieses Artikel in Kursivschrift ist und dabei von Spiritualität die Rede ist. Wenn Sie damit nun gar nichts anfangen können, brauchen Sie diesen Teil nicht zu lesen. Zum Verständnis reicht der restliche Text völlig aus. Wenn Sie jedoch etwas über die Hintergründe dieser Entscheidungsmethode wissen möchten, lesen Sie auch die kursiven Texte.
Die hier vorgestellten Tipps beruhen auf der Methode der "Unterscheidung der Geister" von Ignatius von Loyola. Er lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und gründete den Orden der Jesuiten. Diese Zeit war der Beginn der Neuzeit, die Welt war damals stark im Umbruch. Wie heute auch. In seinem Buch der "Geistlichen Übungen" entwickelte Ignatius eine spirituelle Pädagogik, die u.a. dabei helfen soll, Lebensentscheidungen zu treffen.
Die oben erwähnten inneren Regungen sind für Ignatius Regungen der Seele. Wenn wir vor einer Entscheidung stehen, sollen wir uns "indifferent" machen, also die Regungen wahrnehmen und prüfen. Dabei werden wir feststellen, dass wir in manchen Regungen mehr den eigenen Vorteil suchen und in anderen Regungen selbst-los bleiben, d.h. den Vorteil der anderen bzw. aller suchen. Wer völlig "indifferent" wäre, hätte sich ganz von egoistischen Regungen befreit. Dies wird natürlich nie völlig gelingen.
Ignatius beschreibt die Haltung des Indifferenten so, dass er Gesundheit nicht mehr begehrt als Krankheit, Reichtum nicht mehr als Armut, Ehre nicht mehr als Ehrlosigkeit. Man soll also persönliche Nachteile in Kauf nehmen, wenn dies einem höheren Ziel dient.
Wie können wir dies in unsere Zeit übertragen? Wir schauen heute bei unseren Entscheidungen nicht mehr so sehr darauf, ob sie dem Vorteil der anderen oder gar aller dienen. Unsere Welt ist individualistischer und auch egoistischer geworden. Doch Vorsicht: eine Entscheidung, die wir aus rein egoistischen Motiven treffen und die für andere u.U. nachteilig ist, kann uns vielleicht kurzfristig von Nutzen sein. Doch mittel- bis langfristig fällt dies auf uns zurück.
Wir sprechen heute gerne Von Win-Win-Situationen, wenn eine Entscheidung für alle Beteiligten von Nutzen ist. In diesem Sinne können wir von Ignatius heute durchaus etwas lernen.

Innere Freiheit
Fühlen wir uns von einem Job angezogen, weil wir Karriere machen und viel Geld verdienen können und zudem noch Macht und Ansehen haben werden? Fühlen wir uns von einem Partner/einer Partnerin angezogen, weil wir mit ihm oder ihr Bewunderung bekommen? Auch wenn wir vielleicht nicht bewusst so denken, so gibt es doch diese unbewussten Mechanismen in uns. Wir stellen so unsere Bedürfnisse über alles andere. Wir interessieren uns nicht wirklich für die anderen, sondern benutzen sie für unsere Zwecke. Solche Regungen sind oft sehr subtil und es bedarf einiger inneren Aufmerksamkeit, um sie zu erkennen. Vielleicht sind es uralte Verletzungen in uns, Ängste oder verdrängte Minderwertigkeitsgefühle, die uns egoistisch handeln lassen.
Für Ignatius gilt es, hier zwischen gut und böse zu unterscheiden. Wobei wir nach ihm in dieser Entscheidung nicht frei sind, denn wir sind moralisch verpflichtet, uns für das Gute zu entscheiden. Handeln aus reinem Egoismus wird theologisch "Sünde" genannt. Der Begriff Sünde wird im allgemeinen Sprachgebrauch missverstanden. Sünde meint, dass wir uns von unserem wahren Wesenskern - der gut ist - absondern und in Folge dessen Böses tun. Was letztlich wieder auf uns zurückfällt.
Wenn wir egoistische Regungen in uns verspüren, hilft es nicht, sie mit irgendwelchen psychologischen Tricks oder einem starken Willen losweren zu wollen. Wir können sie annehmen - was nicht heißt, ihnen nachzugeben. Wir können sie mit Respekt und Humor als Teil unserer Selbst verstehen und langsam von ihnen frei werden. Wir sollten uns nur im Handeln so wenig wie möglich von ihnen bestimmen lassen. Dies erfordert etwas Achtsamkeit in Alltag, wofür es einige Übungen gibt.
Ich weiß nicht, wie Sie persönlich zum Thema Gott und Religion stehen. Jedenfalls sind religiöse Menschen nun klar im Vorteil. Sie können sich von Gott angenommen fühlen und der vergibt alles Böse und heilt die menschliche Seele an der Wurzel. Wobei viele sich für religiös haltende Menschen lediglich fromm sind und mit Gottes Gnade so ihre Probleme haben. Aber das ist nun ein ganz anderes Thema.
Nun kann es passieren, dass wir unser Inneres bereits von Ungeordnetem gereinigt haben und eine Entscheidung zwischen zwei guten Alternativen treffen müssen. Wir handeln aus innerer Freiheit und haben somit eine echte Wahlmöglichkeit. Hier gilt es, zwischen gut und besser zu unterscheiden, die Regungen für und gegen jede Alternative wahzunehmen. Wir müssen formale und innere Kriterien für eine Entscheidung entwickeln. Dazu später mehr.
Für Ignatius ist die wichtigste Hilfe der Blick auf Jesus. Sein Leben ist Vorbild und Maßstab. Ignatius empfiehlt, das Leben und Wirken Jesu zu meditieren und zu studieren und eine innere Beziehung zu ihm aufzubauen. Unser Leben bekommt so Klarheit und Tiefgang.

Drei Weisen des Wählens
Wir können auf drei Weisen wählen.
Als erste Weise haben wir die unmittelbare Intuition. Wir haben ein Aha-Erlebnis und wissen unzweifelbar, was zu tun ist. Solche Erlebnisse mögen selten sein, doch ich hoffe, Sie kennen sie aus eigener Erfahrung. Herbeiführen kann man so etwas nicht.
Für Ignatius ist dies eine direkte göttlich Erleuchtung. Für ihn setzen sie einen suchenden Meschen voraus, der mit Gott in Verbindung steht und somit für eine solche Erfahrung offen ist.
Bei der zweiten Weise nimmt man seine inneren Regungen wahr und unterscheidet sie. Man beobachtet, welches der richtige Weg ist. Diejenigen Regungen, die uns innerlich weiten, weisen auf den richtigen Weg im Gegensatz zu denen, die uns innerlich verengen. Letztlich ist es eine Übungssache.
Hier haben wir es mit der zentralen ignatianischen "Unterscheidung der Geister" zu tun. Wichtig sind die Gefühle, die beim ehrlichen und nüchternen Meditieren und Durchbeten der Alternativen entstehen, denn hier kann der Geist wirken - und ebenso der Abgergeist, von dem man den Geist ja unterscheiden will.
Wenn die Regungen nicht richtig in Gang kommen, kann man in die dritte Weise des Wählens eintreten. Sie ist die rationale Weise des Entscheidens. Man prüft die Argumente für und gege jede Alternative. Summe und Gewicht der Argumente weisen auf die Lösung hin.
Für Ignatius ist diese Lösung nur eine Notlösung. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass gute Entscheidungen meist in einer Verbindung aus zweiter und dritter Weise des Wählens zustande kommen. Beide Ebenen sollen sich ergänzen.
Auf welche Weise können wir nun unsere Entscheidungen treffen? Die erste können wir nicht willentlich hervorrufen. Wenn starke Gefühle da sind, können wir uns die Kraft des Verstandes zunutze machen. Wenn der Verstand heftig arbeitet, können wir in die Stille gehen und bewußt auf die Gefühle achten. Wenn eine plötzliche Intuition auftaucht, können wir diese durch Gefühle und Argumente zu ergänzen suchen.
Gläubige Menschen können im Gebet daum bitten, ein intuitives Signal geschenkt zu bekommen.
Und was macht jemand, der nicht gläubig ist? Auch da gibt es eine gute Methode. Wir gehen in die Stille und bitten unser Unterbewusstsein um ein intuitives Signal. Letztlich müssen wir ja nicht so genau wissen, woher es kommt.
Wir können das, was Ignatius als Geister bezeichnet, für uns als innere Stimmen betrachten. Wir müssen weder an Geister noch an Engel glauben, um diese tolle Unterscheidungsmethode für uns nutzbar zu machen. Es ist auch nicht Sinn und Absicht dieses Artikels, den Bereich Religion, Gott, Engel und Geister zu thematisieren.
Die Fähigkeit, diese inneren Regungen zu unterscheiden, führt zur Klugheit. Dazu gehört die richtige Balance von Nähe und Distanz zu materiellen und geistigen Dingen, Feingefühl und Takt, Klarheit im Denken und die rechten Maßstäbe, affektive Reife und Lebenserfahrung, Nüchternheit UND Begeisterungsfähigkeit, Verschwiegenheit und ehrliches Kommunizieren. Es geht also eher um Psychologie als um religiöse Themen.

Kriterien des Entscheidens
Vorab: Es gibt keine klaren Mechanismen, die man nur korrekt anwenden muss, um zu sicheren Entscheidungen zu kommen. Entscheidungen sind immer Verstandes- UND Herzensangelegenheiten. Man muss sich existenziell auf die Situation einstellen, ein subjektives Moment gehört immer dazu.
Doch es gibt Kriterien, an denen wir uns orientieren können. Sie beruhen auf Werten und dem dazugehörigen Menschenbild, sie sind sozial, kulturell und auch religiös bestimmt. In unserer pluralen Welt lösen sich allgemeinverbindliche Regeln und Werte auf, wodurch sich viele Menschen desorientiert und entscheidungsunfähig fühlen.
Die "Unterscheidungen der Geister" nach Ignatius orientieren sich an biblisch-christlichen Werten und gehen - nicht unbescheiden - davon aus, dass diese für alle Menschen die besten sind. Meines Erachtens passen diese Werte ganz gut in ein modernes, humanistisches Weltbild und zu den Erkenntnissen der modernen Psychologie.

Was bringt mehr?
Wir setzen voraus, dass sich jemand bereits im Zustand innerer Freiheit befindet, sich seine inneren Regungen also angeschaut hat. Er ist also bereits "indifferent" und sucht keine Vorteile auf Kosten anderer.
Nun bleiben ihm mehrere gute Alternativen übrig. Welche ist nun die bessere? Die Frage ist, was bringt "mehr"? Welche Alternative ist erfüllender im Sinne der Ziele um die es geht?
Für Christen sind die Ziele vorgegeben: Es sind Friede und Gerechtigkeit, Glaube, Hoffnung und Liebe. Alles, was diese Werte fördert, soll gewählt werden. Der Blick auf Jesus kann da hilfreich sein.
Wenn ich mit einem humanistischen Weltbild ausgestattet bin, sieht das nicht viel anders aus. Welche Entscheidungsalternative bringt nicht nur mir, sondern auch meiner Mit- und Umwelt mehr? Mehr an Frieden, Gerechtigkeit und Liebe? Was macht die Welt schöner und besser? Dazu kann ich mich natürlich auch fragen: Was ist meine Sehnsucht? Was will ich mit meinem Leben anfangen? Welche Ziele habe ich in meinem Leben?
Diese Fragen sind nicht immer einfach zu beantworten. Bei der Berufswahl z.B. gilt, dass jeder Beruf, sofern er gut und gerecht ist, die Welt besser machen kann. Doch kommt hier ein subjektiver Faktor hinzu: Was ist mein "Mehr"? Wie kann ich mit meinen Begabungen und Grenzen einen positiven Beitrag leisten?
An dieser Stelle kann sich leicht ein Missverständnis einschleichen: "Mehr" heißt nicht, in eine Mentalität des Machens zu verfallen. Wir sollten uns nicht unter Druck setzen, um die Welt zu erlösen. Überforderung macht uns krank.

Was bringt Freude?
Ich frage mich natürlich auch, was bringt MIR mehr Freude, Liebe und Gerechtigkeit? Hier ist ein stark subjektives Kriterium, es geht hier um mein Wohlergehen. Mit Freude ist hier nicht oberflächliches Vergnügen gemeint. Das wird schnell schal und langweilig. Wirkliche Freude basiert auf Werten und ist andauernd.
Ignatius spricht von Trost und meint damit Liebe zu Gott und zu den Menschen, also wirkliche Beziehung,die bewegt und erfüllt; dazu Glaube,Liebe und Hoffnung. Und alle Freudigkeit, die zu den himmlischen Dingen hinzieht, also spirituelle Erfahrungen, Erfülltsein vom Geist Gottes.
Beide Kriterien sind zu berücksichtigen: Was bringt den anderen "mehr" und was bringt mir mehr Freude? Egoismus und Altruismus sollten sich gegenseitig aufheben. Leben ist immer ein Empfangen UND ein Nehmen.
Das Geben wurde im Christentum früher überbetont: Immer für andere da sein,sich aufopfern, sich demütigen. An sich selbst zu denken galt als unmoralisch. Viele Christen haben ein solches Denken noch heute verinnerlicht und auch viele derer, die sich aus guten Gründen vom Christentum abgewendet haben. Die Prägung bleibt halt.

Methoden des Entscheidens
Entscheidungen sind immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Entscheidungsmethoden können dieses Risiko minmieren, wenn sie mit Gespür und Geduld auf die jeweilige Situation übertragen werden.
Für wichtige Entscheidungen empfiehlt sich eine Unterbrechung des Alltags, eine Zeit in Stille. In der Stille wird das Innere lebendig, man wird sensibel und offener für die Zwischentöne, erkennt Antriebe und Motive.
Was passieren kann ist, dass uns in der Stille all das einholt, was wir im Alltag "unter den Teppich" gekehrt haben: Ängste, ungeordnete Gedanken, Verletzungen, Schuldgefühle, Chaotisches und Belastendes aus der Lebensgeschichte. Darum haben manche Menschen Angst vor der Stille.  Doch wir müssen dies anschauen und zulassen. Was unter den Teppich gekehrt wurde ist ja nicht weg, sondern bestimmt auf negative Weise unser Verhalten, ohne dass uns dies bewusst wird.
Das Mindeste an Stille, das wir ins gönnen sollten, ist ein abendlicher Tagesrückblick.
Wenn ich vor Entscheidungen stehe, kann ich im Tagesrücblick auf meine Gefühle in Bezug auf die zu treffende Wahl achten:
Was lockt und begeistert mich?
Was lähmt und blockiert mich?
Was hindert mich, die Wirklichkeit ehrlich anzuschauen?
Sind meine Ängste begründet oder nicht?
Welche Motive treiben mich an?
Gibt es auch solche, die ich nicht mag?
Was engt mich ein?
Was könnte mir helfen, freier zu werden?
Lasse ich mich zu sehr durch Gefühle bestimmen - oder zu wenig?
Neige ich zu Rationalisierungen oder zu Rechtfertigungen, mit denen ich mir etwas einrede oder etwas verdränge?
Lasse ich mich zu sehr durch die Meinung anderer Leute bestimmen?
Was ist meine Sehnsucht?
Auch ein oder mehrere "Wüstentage" können sehr nützlich sein. Oder ein paar Tage in einem Kloster. Da gibt es oft auch eine geistliche Begleitung ohne Versuche weltanschaulicher Beeinflussung. Exerzitien nach ignatianischer Methode sind speziell auf Entscheidungen ausgerichtet.
Wer ausdrücklich christlich entscheiden will, kann seine Frage ins Gebet bringen, d.h. sie in stillen Zeiten ins Gott erzählen. Wir können und brauchen Gott nichts vormachen - und uns selbst auch nicht. Man sollte vielleicht nicht mit einem direkten Eingreifen Gottes rechnen, doch das Gebet verändert den Beter. Auch Bibeltexte können für Gläubige in Entscheidungssituationen hilfreich sein.
Wer mit Gott und Gebet nicht so viel anfangen kann, kann ein Gespräch mit seinem Unbewussten oder seinern inneren Teilpersönlichkeiten führen. Detaillierte Hinweise würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ich empfehle, im Internet mal nach der Methode "Voice Dialogue" zu suchen.
Die besten Entscheidungen treffen wir in einem Zustand innerer Freiheit. Darin sollten wir uns von Ängsten, die uns blockieren, möglichst nicht bestimmen lassen, ebenso wenig von Gewohnheiten, Besitztümern, Vorurteilen, Schwarz-Weiß-Malereien, überhöhten Erwartungen, Ritualen und Fixierungen, an denen wir hängen. Und wir sollten zwischen mehrerer guten Alternativen wählen können, sonst sind wir nicht wirklich frei.
Wer eine von zwei Alternativen wählt, muss die andere betrauern. Diese Trauerarbeit wird oft vergessen und so hängt man dann noch lange an dem, was man losgelassen hat. So kann man das Gewählte allerdings nicht genießen. Man bleibt unzufrieden und wirft sich u.U. immer wieder vor, die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Zurück zur schon erwähnten Sehnsucht: Egal welche Alternative wir wählen, unsere tiefste Sehnsucht wird immer ungestillt bleiben. Die Sehnsucht nach dem Himmel ist auf Erden nicht erfüllbar. An dieses Erkenntis kommen auch Nichtgläubige, religions- und kirchenferne Menschen nicht vorbei. Wer anderer Meinung ist, blicke mal auf seine bisherige Lebenserfahrung.
Für Ignatius sieht die Sache so aus: Die Sehnsucht nach dem Himmel ist uns Menschen - wir sind Abbild Gottes - tief ins Herz gelegt. Wer sich für eine Alternative entscheidet, sagt ja zu einem Teil, zu einem Fragment dessen, was er ersehnt. Mehr gibt es hier auf Erden nicht und wir müssen lernen, mit diesem Wenigem zufrieden zu sein und dies frei und aus vollem Herzen zu leben. So können wir im Fragment das Ganze schon aufleuchten sehen und erahnen den Himmel. Dennoch bleibt eine Leere, eine letzte Unerfülltheit zurück. Dies zu akzeptieren befreit zu wirklich menschlichem Leben.

Phantasieübungen und Entscheidungsdiemma
Was können wir tun, wenn es uns schwer fällt, uns zwischen zwei oder mehreren guten Alternativen zu entscheiden?
In vielen Geschichten der Bibel werden Menschen von Gott berührt und beauftragt. Wir können uns in der Phantasie vorstellen, wie wir von Gott berührt und beauftragt werden oder uns vorstellen, wie wir unsere Alternativen Gott vorlegen, ihn um Rat fragen und um ein Signal bitten. Dieses Signal kann eine plötzliche starke Hinneigung zu einer der Alternativen sein, ein Tipp von außen, eine intuitive Einsicht, eine Erkenntnis in der Stille, eine innere oder äußere Stimme oder der Tipp einer anderen Person.
Sie können auch in die Stille gehen und ihr Unbewusstes damit beauftragen, ihnen eine Lösung zu schicken. Das kann dann eins der im Kursivtext genannten Signale sein oder sogar der Schriftzug auf einem vorbeifahrenden Lastwagen. Sie können auch das Universum um eine Lösung bitten. Fragen Sie mich jetzt nicht, wie das funktioniert, das weiß ich auch nicht. Entscheidend ist, dass die Methode innerhalb IHRER Weltanschaung stimmig ist.
Sie können sich die verschiedenen Alternativen auch vor ihrem inneren Auge wie auf einer Leinwand vorstellen. Sie inszenieren jede Alternative wie ein Regisseur. Achten sie dabei, wie sich die jeweiligen Alternativen für Sie anfühlen. Betrachten Sie die Alternativen NACHEINANDER mit genügend Zeitabständen. Sonst könnten Sie unklare Signale erhalten. Beschäftigen Sie sich mit Imaginationsübungen und forschen sie im Internet nach Übungen zm Thema "kreatives Visualisieren".

Schwierigkeiten und Fallen
Realität ist immer komplexer als ein Artikel oder ein Buch. Manchmal ist man durch Umstände blockiert, die nicht so einfach zu überwinden sind.
Wer vor einer Entscheidung steht, sollte seine persönlichen "Fallen" kennen:
Neige ich dazu, mich zu schnell festzulegen?
Oder dazu, Entscheidungen aufzuschieben?
Zu einem kindhaften oder zwanghaften Anpassungsverhalten?
Zu depressiven Stimmungen, die mich lähmen?
Zu einem übersteigerten Selbstwertgefühl und zu Heldenphantasien?
Oder zu Gefühlen der Minderwertigkeit?
Fliehe ich gerne in Geselligkeit?
Neige ich zu Suchtverhalten irgendwelcher Art?
Zu Hyperaktivität?
Oder zu Antriebsschwäche und Fluchtmechanismen?
Möchte ich gerne bewundert werden?
Fliehe ich gerne in schöne Träume?
Oder starre ich pessimistisch und zynisch auf die üble Welt?
Neige ich zu übersteigerten Ängsten oder zu Naivität und Draufgängertum?
Zu spiritueller Schwärmerei oder zu übertriebener Skepsis?
Jeder hat seine persönlichen Fallen, in die er immer wieder mal hineintritt. Indem wir Fehler machen, reifen wir und lernen, unsere Fallen wahrzunehmen. Wir lernen, mit ihnen umzugehen, sie zu umgehen oder ihnen klug entgegenzusteuern. Und zur Klugheit gehört auch eine gewisse Leichtigkeit und Humor.

Sich entscheiden in persönlichen Krisen
Krisen zeigen sich oft in körperlichen Symptomen. Dunkle Gefühle wie Wut, Trauer, Leere, Verzweiflung oder Einsamkeit mag man noch verdrängen können, doch der Körper meldet sich früher oder später. Krisen zeigen sich auch in Beziehungen, Spannungen, Groll, Streit und Rückzug sind die Folge.
In spirituellen Krisen wird das Gebet trocken und leer, die Meditation erscheint sinnlos und man hat keinerleit Interesse an dem so fernen, unnahbaren oder ungerechten Gott. Ignatius nennt eine solche Krise "Trostlosigkeit".
In einer Krise sollten wir möglichst keine Entscheidung treffen. Wer nicht in Kontakt ist mit sich selbst, mit den Menschen und mit Gott, lässt sich allzu leicht vom bösen Geist beeinflussen. Wer nicht kommuniziert, hört nicht auf gute Berater. Dennoch sind Krisen etwas Normales und sogar Gesundes. Wir wachsen und reifen in ihnen. Vor einer Entscheidung sollten wir uns jedoch bemühen, aus der Krise herauszukommen. Vielleicht brauchen wir Urlaub, mehr Distanz oder Nähe zu Personen, medizinische, therapeutische oder spirituelle Hilfe. Gute Entscheidungen können wir jedenfalls nur treffen, wenn wir uns in einem guten Zustand befinden.

Und wenn die Motive chaotisch bleiben?
Die meisten Menschen haben für das, was sie machen, einen kunterbunten Reigen von Motiven. Darunter gibt es ehrliche, lautere, reine und unehrliche, unlautere und egoistische, was oft kaum zu unterscheiden ist. Wie können wir in einer unklaren Motivlage zu klaren und gesicherten Entscheidungen kommen?
Wir können lernen, zwischen primären und sekundären Motiven zu unterscheiden. Was ist uns wirklich wichtig? Welche Motive betrachten wir als lauter und ehrlich? Bringen diese ein "Mehr" für uns und andere? Sind sie vielleicht mit Liebe und Hingabe verbunden?
Wenn diese stark genug sind und uns tragen, dann verlieren die sekundären Motive an Bedeutung: Fluchttendenzen, der Wunsch nach Anerkennung oder bürgerliche Rituale. Wir brauchen diese Motive nicht unterdrücken, es genügt, wenn wir sie beobachten. Sie werden im Laufe der Zeit "integriert".
Laut Ignatius weiß Gott auch aus zweideutigen und chaotischen Energien etwas Gutes zu machen. Daher sollen wir lieber angstfrei das Gute in der Seele fördern als das Unklare und Böse bekämpfen. Wir sollen uns von ungeordneten Strebungen nicht bestimmen lassen, sondern uns nach den geordneten ausrichten. Am Ende wird Gott das Böse in unserem Herzen, das wir nicht entfernen können und nicht zu entfernen brauchen, herausreißen und  vernichten.
Wie können wir unsere guten Motive und Strebungen fördern? Wir können uns auf wirkliche Werte besinnen und einüben, sie zu leben; Kontakte zu entsprechenden Menschen suchen und uns von ihnen prägen lassen. Wir können uns von Menschen und Orten fernhalten, die chaotische Energien fördern.

Leitsätze des Entscheidens
Am Ende möchte ich die wichtigsten Punkte zusammenfassen und ergänzen.
1. Nimm die Wirklichkeit wahr, wie sie ist.
Realität ist so, wie sie ist und nicht so, wie wir sie gerne hätten. Jede Entscheidung basiert auf einer Zustimmung zum Vorgegebenen. Es mag sein, dass wir eine Situation gerne anders hätten. Doch Veränderung kann nur geschehen, wenn wir zuvor dem zustimmen, was ist. Sonst binden wir unsere Energie im Kampf gegen das, was ist und sie steht uns nicht mehr voll für unsere Ziele zur Verfügung. Natürlich sind Ideale wichtig und richtig. Allerdings muss man sie mit der Wirklichkeit in eine Beziehung bringen, die spannungsreich, erfinderisch und fruchtbar ist. Idealisten, die dies nicht schaffen, scheitern früher oder später, idealistisch entwickelte Systeme ohne Beziehung zum Bestehenden können zu grausamen Unterdrückungssystemen werden. Die Geschichte hat dies oft genug gezeigt.
Die Idealisten möchten gerne alles und das sofort. Andere Menschen wiederum leben eher in der Vergangenheit und verklären diese - oder verteufeln sie. Hier gilt es, Vergangenheit und Gegenwart in eine fruchtbare Beziehung zu bringen.
Beides erfordert etwas Übung. Wir sind gefordert, Bilder, Phantasien, Träumereien, Gefühle und Gedanken immer wieder auf die Wirklichkeit hin zu ordnen und sie dadurch zu relativieren. So können wir lernen, die Realität ehrlicher, nüchterner und liebevoller anzunehmen.
2. Entwickle das rechte innere Zeitgefühl
Wir brauchen nichts überstürzen und nichts verschleppen und können äußerem Zeitdruck klug begegnen. Ein gutes Zeitmanagement bedeutet nicht, mehr Aktivitäten in eine Zeitspanne zu packen.
Die Seele und unsere Psyche hat und braucht ihren eigenen Rhythmus. Wenn sie diesem nicht folgen darf, macht sie Fehler, auch in Entscheidungen. Bei Entscheidungsprozessen soll vor, während und nach der Entscheidung ein gutes, trostvolles Grundgefühl vorherrschen. Plötzliche Einsichten können gut sein, sollten sich aber im Alltag über längere Zeit durch inneren Freiden bestätigen. Strohfeuer der Begeisterung sind dann kein gutes Indiz, wenn sie schnell einem schalen Gefühl weichen.
Die einzelnen Entscheidungschritte sollte man allerdings nicht zu starr ordnen und planen.
3. Suche den Rat kluger Menschen und prüfe deine Alternativen in realistischen Experimenten.
Andere, insbesondere wenn sie die Person kennen und ein gutes Urteilsvermögen haben, nehmen die Stärken und Schwächen oft besser wahr als dieser selbst. Wer keinen Berater findet, kann seine Gedanken für einen fiktiven Zuhörer oder gegenüber einer imaginierten Gruppe  formulieren, was bereits zur Klärung helfen kann. Vor großen Entscheidungen kann man die Alternativen in Probeläufen testen und erhält so zumindest eine kleine Rückmeldung der Wirklichkeit.
Nach Ignatius setzt der "böse Geist" oft die Taktik der Geheimhaltung ein. Hinter dem Wunsch, die Pläne zu verbergen, steckt allerdings oft das schlechte Gewissen.
4. Höre, was dein Kopf, dein Herz und deine Intuition sagen
Unsere moderne Welt ist sachlich, funktional und rational bestimmt. Auch wenn manche Menschen dies beklagen, so bringt das doch unbestreitbare Vorteile mit sich. Dennoch können wir wichtige Entscheidungen nicht mit dem Verstand alleine treffen. Wir können unsere Gefühle ernstnehmen und wertschätzen, besonders auch die unangenehmen. Es gibt auch Menschen und Gruppen, die die Gefühle überbetonen. Schauen Sie, ob und wo in diesem Bereich Sie eine Einseitigkeit haben und integrieren Sie die andere Seite.
Vielleich haben Sie eine plötzliche "spirituelle Intuition" und können so eine Entscheidung treffen. Seien Sie für dieses Geschenk dankbar.
Spirituelle Intuitionen sind eine Gnade um die wir bitten können. Die drei Wahlweisen des Ignatius ergänzen und befruchten sich.
5. Der "böse Geist" will Entscheidungen oft komplizierter machen als sie sind. Und er arbeitet mit der Angst.
Manche Menschen verlieren sich selbst bei kleineren Entscheidungen in tausend Kleinigkeiten. So sind sie schnell verwirrt und geben entnervt auf.
Fragen Sie sich, was der Kern der Sache ist und worum es bei der Entscheidung wirklich geht. Klar formulierte Fragen sind da sehr hilfreich. Woran würden Sie nach einer bestimmten Zeit erkennen, dass Ihre Entscheidung richtig war?
Wenn Ihre Ängste irrational sind und Sie verwirren, kommen sie vom "bösen Geist". Sie können den auch ihren inneren Kritiker nennen. Stellen sie sich ihnen kraftvoll mit Mut und Vertrauen entgegen. Wenn Sie Ängste verspüren, können Sie sich immer wierder fragen: "Ist das wirklich so?" Suchen Sie im Internet mal nach der Methode "The Work" von Byron Katie.
6. Wähle nicht, wenn du in einer Krise bist.
Wer in einer Krise steckt, sollte zuerst dafür sorgen, dass es ihm besser geht und dann erst eine Entscheidung treffen. Sonst kann er nicht in Freiheit iund Offenheit entscheiden, welche der guten Alternativen die bessere ist. Welche bringt mehr inneren Frieden, Freude, Hoffmnung, Geborgenheit und Sinn? Welche nützt der Welt, trägt mehr zur Gerechtigkeit bei und macht die Welt zu einem besseren Ort. Folgen Sie dabei durchaus der Sehnsucht des Herzens. Sie weist uns meist auf den richtigen Weg.
7. Lerne deine Grenzen kennen.
Seine eigenen Grenzen und Schwächen kkenen zu lernen erfodert Klarheit, Nüchternheit und Liebe. Es ist schwerer, als man oft annimmt. Wir können unsere Grenzen achten und dabei weder zu ängstlich noch zu forsch vorangehen.
Wir brauchen den Verzicht und das Leiden nicht zu suchen, können aber lernen es anzunehmen, wenn es zu uns kommt.
Nach Ignatius sollen wir das Schwere und das Leid aus der Hand Gottes annehmen. Das ist schwer zu verstehen. Allerdings wachsen wir gerade an Krisensituationen.
8. Betrauere die nicht gewählten Alternativen und die verpassten Chancen.
Der Idealist will alles. Doch wer zu einem Ja sagt, muss Nein zum anderen sagen. Dieses Nein ist bewusst zu vollziehen. Etwas, was man nicht wählt oder eine verpasste Chance muss man im Herzen loslassen. Man muss es betrauern, um zu dem, was man wählt, freier und dankbarer Ja sagen zu können. Das Leben ist auch ein Weg des Loslassens, insbesondere im Alter.
Jedes Loslassen ist ein kleines Sterben, eine Vorwegnahme des endgültigen Sterbens, in dem wir alles loslassen müssen - um noch viel mehr wiederzubekommen.
9. Vorbilder können uns wahres Menschsein zeigen.
Vielleicht haben Sie ein Vorbild, das Ihnen einen Maßstab zeigt und eine Orientierung bietet.
Für Ignatius ist Jesus dieses Vorbild. Durch sein modellhaftes Verhalten, wie er mit Menschen umging: barmherzig, wahrhaftig, trei, gerecht, liebevoll.
10. Es kommt der Punkt, an dem du das Risiko auf dich nehmen, loslassen uns springen musst. Dein Grundvertrauen in das Leben wird dir dabei helfen.
Wenn Sie sich in der Kompelxität und den Details einer Entscheidung verirrt haben, hilft nur noch ein klarer Schnitt. Sie müssen ins Unbekannte springen, ein Risiko und eventuelle Nachteile in kauf nehmen. Wenn Sie vorher "die Geister unterschieden" haben kann der Befreiungsschlag gelingen. Letztlich kann nur entscheiden, wer ein gewisses Grundvertrauen ins Leben hat. Dies können wir auch nach und nach aufbauen.
Nachtrag und Dank
Dieser  Artikel basiert auf dem Buch "Sich entscheiden" von Stefan Kiechle SJ. Wer tiefer in das Thema einsteigen will, dem empfehlte ich die Lektüre. Wer noch tiefer einsteigen möchte, lese "Geistliche Übungen" von Ignatius von Loyola.